Hans Gottlob Rühle
Auf dem Weg
Marburger-Vogelwelt

HANS GOTTLOB RÜHLE - GEDICHTE
AUF DEM WEG

DIE FARBE BLAU

Aus der Nacht
kommen wir,
in wogenden Wassern
kämpfen wir,
zum Himmel
streben wir.

Blau ist die Vergangenheit,
Blau der Raum,
Blau die Zeit und
Blau der Äther.

Auf blauen Planeten
werden unsere Träume
geboren,
filigran, tiefgründig und groß -

In Wassergärten
verschlingen sie sich
gleich blauen
Schlangen.

In der blauen Unendlichkeit
zu Botschaftern der Götter
erkoren,
verwehen sie, spurlos.

LEBEN

Illusion ist
das Leben.
Der Augenblick allein
ist es wert,
gelebt zu werden.

Freue dich
dieser Stunde
und vergiß,
wie bald der Schein
des silbernen Mondes über
dem Birnbaum

dem unerbittlichen
Tageslicht
weichen
muß.

BESITZ

Was ist Besitz?
Ein Netz über
die Seele geworfen,
das sie am Boden fesselt.

Nichts kannst Du
wirklich besitzen.
Drohend steht
der Schatten der Vergänglichkeit

schon hinter Dir.

AUS UNS SELBST

Vergebens rennst Du,
In Hast verbrennst Du.

Schreite zwecklos,
ziele ins Nichts.

Versinke im Nebel
und streichle den Tau.

Denn nur aus uns selbst
erwächst die Blume,
deren Duft die Nacht bezwingt.

MERKE

Gefügige Mitarbeiter
sind nicht treu.

Der gute Lenker
muß sich an
die Schwierigen und
die Selbständigen
halten.

HOFFNUNG

Flüchte,
in jenen wundersamen Garten
des Geistes und
der Melancholie.

Und tausend Blumen
leuchten,
inmitten der Zwietracht.

JUGEND

Auch wenn der Abgrund
mit Blüten geschmückt,

Auch wenn ihr heute
noch in Schönheit und
Glanz dem Eros
geweiht.

Das Elend des Seins
ist ohne Ausweg,
Ihr seid Rosen gleich, die
dem Regen
versprochen aus
Klüften wuchern,

von Moos
schon umfangen,
der Sonne
entgegentaumeln.

Vergessend, was
Gestern geschah
und Morgen wieder
geschehen wird.

Verzaubert von der
Scheibe des silbernen
Mondes,

im winzigen Nachen
harrend des strahlenden
Morgenlichts,

das alsbald in
eisigem Hauch
aufersteht.

ERFÜLLUNG

Die Linde hat
Jahrhunderte gegrünt.

Der Strom schlang sich
durch viele Schicksale.

Schmetterlinge gaugelten
einen Sommer lang.

Der Wind jagte
nur einen Tag.

Doch haben alle
ihrer Bestimmung
gelebt,
alle sich selbst
erfüllt.

FRIEDEN

In deinen Fingern hat
sich der Mond gefangen.

Von deiner Stirn weht
der Himmelswind.

Die Gräser haben zu singen
angefangen,

Orions Schwerter
zerbrochen sind.

VATER - WANN SIND WIR ENDLICH AM ZIEL?

1. Mein Kind -
Du findest hier in unserm Leben
keinen Ort, der dir nur Angenehmes gibt,
auf Dauer Glück, Gerechtigkeit und Frieden
die Freiheit und die Liebe noch dazu.

Wir Menschen können diesen hohen Gipfel
trotz der Propheten herrlicher Visionen
in unsrer engen Endlichkeit
niemals erklimmen.

Bedenke immer,
die nächste Hürde
die du siehst,
ist nie die letzte.

Der höchste Pass, der
vor dir liegt,
führt nicht zur
Wiese der Glückseligkeit.

2. Auch wenn dein Herz verzagen will,
auch wenn dein Weg,
mit Blumen nicht bestreut
so endlos scheint,
- schau dennoch vorwärts.

Auch wenn die zarten Flüsse
von Dornen schon zerstochen,
ihr Blut in Gräsern
blinkt rubinengleich,

Auch wenn die Nacht und
ihre scharfe Kälte
dich immer wieder
auf die Knie zwingt,

Wenn deine Tränen
im Licht des fernen Mondes
auf grünen Zweigen
diamanten glänzen
- geh dennoch vorwärts.

3. Vergiss Dich selbst -
und denke an die Andern, die
Kreaturen, die an deinem Weg
ein tröstend Wort
so dringlich sich erflehen.

Lass dich nicht unterdrücken
von dunklen Mächten,
vom übergrossen ICH.
- Find Dich mit keiner
Niederlage ab.

Doch übe Nachsicht
und empfinde Freude,
dass es für dich
noch Ideale gibt.

4. Denn Schönheit ist
auch in dem Leid verborgen,
das dich begleitet
auf dem Weg zum Ziel,

in deinen Füssen
von Dornen so zerstochen,
in deiner Träne, die
diemanten glänzt.

Drum schreite immer und
immer weiter vorwärts,
vergiss dich selbst,
und verzage nicht.

Es kommt der Tag,
da wirst du alles finden.
Kommt dieser Tag:

Dann finde Dich - im TOD.

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