SEHNSUCHT NACH DEM HIMALAYA
Majestätische Kette der Bergriesen. Weiß bekrönt. Makellos. Sitze der Götter.
Sehnsucht, selbst ein Berg zu sein.
Erhaben, mit dem Firmament verschwistert, hoch über dem Menschengewimmel der Ebenen, den Nichtigkeiten des Alltags entrückt, frei in ferner Unendlichkeit, gottgleich.
Und doch am Morgen in die Ebene, die verborgensten Täler blickend. In den Kessel voller Menschen, voll von Freuden, Leiden, Gleichgültigkeiten. Dann und wann einen mahnenden, einen drohenden Schatten über sie und ihre grünen Matten zu legen.
Im Steinbruch von ihnen geritzt zu werden, grad zwischen zwei Zehenspitzen.
Als Teil eines Tempels, an heiligem Ort für tausend Jahre zu Mauern gefügt. Alle Gebiete, alle Tränen, alles Flehen, Seufzer und Dank, Zeremonien und Opfermord miterlebend und fühlend.
Mit-leidend und doch kalt.
Mitten unter ihnen und doch fern.
Außen sonnenüberflutet, monsungepeitscht.
Innen stets dunkel, mystisch, im Widerschein der Butterlampen, verwöhnt vom Duft der Räucherstäbchen.
Doch hüte sich Mensch vor mir und meinem Zorn! Denn mein Leib reicht in tiefste Tiefen. Wenn du mich besitzen wolltest, versänkest du in reinem Feuer.
Selbst ein Berg zu sein. Losgelöst von aller Pein des Lebendigen. Majestätisch, rein und - beinahe unsterblich.
|
ERINNERUNGEN AN NEPAL
Gedämpfte Gespräche im Frühstückssaal.
Kalt die Nacht, klar der Morgen. Raureif am Boden, der Glutball schon am Horizont.
Dunkelheit lag noch über dem Tal als Buddha erschien. Seine Weisheit ertrank im Menschengewimmel.
Das Paradies sei hier, glaubten einst die Wohlstandskinder. Sie kifften ihr letztes Abendmahl.
In verborgenen Klüften, hinter Brahmanendörfern und Reisterrassen rinnt von Götterbergen ein blutender Strom zu Kalis Tempel nieder.
Weine nicht, selbst wenn Kali im Blut bis zu den Hüften. Auch du musst das Leben lassen wie das Opfertier - Staubkorn am ewigen Rad der Wiedergeburten.
Heil dir; wenn dein Kharma eingefangen vom Rauch der Totenfeuer in Phashupatinath, wenn Shiva dir zu neuem Leiden kein weiteres Leben vermittelt hat.
Alte Königspaläste, verlassen, gefüllt mit der Touristen Hast. Die vielen Tempel, geschmückt und erdrückt von menschlicher Last. Leben ist Leiden.
Am Rande des Basargewimmels lächelt Ganesha dem träumenden Buddha zu, wer beide liebt, keine keine Eile dein Ende kommt doch früh genug.
Wenn alles vergangen, verwest die Massen, werden draußen über Reisterassen die letzten heiligen Bäume gelassen lächeln über der Menschen vergebliches Streben in ihrem so kurzen, begrenzten Leben.
|
TRÄUME
Wandern im Himalaya.
Bambus, Stupa, Gipfelblick.
Reisterasse, Kuchenschelle.
Brahmanendorf vor Himmelblau.
Bergauf und bergab. Pilgerschaft des Lebens.
Aufsteigen, um abzusteigen. Absteigen, um wieder hochzuschauen.
Sag, wo werden einst meine Träume enden?
|
KRISTALLBERG
Der Mond, silbrig-kalt an seiner Unterseite.
Nur der harzige Duft der Himalaya- Kiefern wärmt.
Hunde bellen bei unserem Vollmondzug durch die Brahmanendörfer.
An einer Windung des Wegs löst sich der Kristallberg aus der Dunkelheit.
Blauer Schimmer. Ziel einer langen Suche.
Endpunkt unserer Wanderung durch die Zeit,
Am Ziel angelangt, sind die Täler tief unten - vergessen.
|
GELASSENHEIT
Das Wesentliche bleibt, das Einfache, das Elementare.
Das Feuer der Sonne, das Wasser der Schluchten, die Feuchte des Nebels, des Waldes Geruch.
Die Durchsichtigkeit der Luft bedeckt die Erde der Terassenfelder.
Nur der Duft des Curry-Reises aus der Sherpa-Küche betört noch Shivas Kinder.
Wenn der Schnee glitzert im blauen Schimmer des Mondes,
wenn der Feuerball über dem Reisfeld steht
und die Fallwinde die Gebetsfahnen leeren,
dann wird der Blick des Alters über die Jugend streichen,
wird die Gelassenheit alle Geschäftigkeit mit dem Fortschritt ziehen lassen.
Und ihr Lachen wird über die Pässe wandern, bis nur noch ein Lächeln die innere Meeresstille erwärmt.
|
MILAREPAS BOTSCHAFT
Der Stein in deiner Brust braucht Winter wie Frühling, Auferstehung braucht den Tod.
Des Menschen Bewußtsein findet seinen Freund in der Einsamkeit, im Winter seinen Wegbegleiter.
Ganzheit findet der, der Himmel und Hölle jede Erfahrung und jedes Sein durchwandert hat.
Betrachte deshalb alle Erscheinungen der inneren wie äußeren Welten, alle Formen des menschlichen Seins gleichermaßen ohne Vorurteil, Absichten oder Furcht.
So betrittst du den Zauberberg, der dem dunklen Stein in einen Bergkristall zu verwandeln vermag.
|